Als ich bei der Recherche nach biologischen Düngern für meinen Garten auf die Empfehlung stieß, den eigenen Urin dafür zu nutzen, schreckte ich erst einmal zurück. So wie wahrscheinlich die meisten Leser. Doch je mehr ich mich darin einlas, umso deutlicher wurde der Irrsinn, den wir heute treiben.
Auf der einen Seite geht ein Drittel des in den Haushalten verbrauchten Trinkwassers durch die Toilettenspülung, meist zur Beseitigung des Urins. Als ich kürzlich die Energiebilanz unserer kleinen Gemeindeverwaltung zu lesen bekam, wurde mir erstmalig bewusst, die viel Energie die Trinkwasserversorgung bzw. die Abwasserentsorgung benötigt. Alle Brunnen, Pumpstationen und Kläranlagen zusammen machen 65% des gesamten Stromverbrauchs der Gemeindeverwaltung aus, der Rest verteilt sich auf die Liegenschaften und die Straßenbeleuchtung. Auf der anderen Seite verwenden wir wiederum viel Energie, um Stickstoff, Kalium und Phosphor für den Kunstdünger zu produzieren bzw. abzubauen und zu transportieren. 1,2% des Weltenergieverbrauchs wird für die Stickstoff-Produktion verwendet. Die Phospor-Vorkommen haben anscheinend nur noch eine Reichweite von 100 Jahren, dann sind die bekannten und abbaubaren Lagerstätten ausgebeutet. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Vorkommen hochgradig Uran-belastet sind, so dass bei deren Verwendung dieser Stoff ebenfalls auf die Äcker ausgebracht wird.
Bereits die alten Römer trieben einen regen Urinhandel, neben Kamel-Urin vor allem auch solchen menschlichen Ursprungs. Er wurde verwendet sowohl zum Düngen in der Landwirtschaft als auch als chemischer Wirkstoff in der Reinigung von Stoffen. Kaiser Vespasian ließ in einigen öffentlichen Latrinen – die man bezeichnenderweise vespasiana nannte – menschlicher Urin gesammelt und gegen eine Gebühr an die Wäschereien (Walkereien) verkaufen. Er wollte damit die Kosten für Kamel-Urin-Importe reduzieren, aber auch die Belastung der sonstigen Toiletten.
Urin enthält eine Vielzahl von Stoffen, die für das Pflanzenwachstum wichtig sind, vor allem Stickstoff, Kalium und Phosphor. Von vielen Fachleuten wird er als Goldwasser bezeichnet. Nur bei Einnahme von Medikamenten oder starkem Nikotinkonsum sollte er nicht verwendet werden.
In der ländlichen Region um Durban (USA), wo viele Häuser nicht an die Kanalisation angeschlossen sind, wurden vor über zehn Jahren rund 90.000 Trockentoiletten installiert, in denen Urin und Kot voneinander getrennt gesammelt werden. Seit 2010 wird der Urin eingesammelt und in einer Testanlage zu Dünger verarbeitet. Aus 1.000 Liter werden energieaufwändig rund zwei Kilogramm Phosphordünger gewonnen. Warum nicht einfach direkt verwendet? So kann man also auch das Bruttosozialprodukt steigern.
Über meine Erfahrungen mit diesem Dünger werde ich nach der diesjährigen Ernte gerne berichten.
Unter diesen Links gibt es weitere Informationen.
http://imperiumromanum.com/geografie/staedte/pompeii_walkereien_01.htm
https://www.spektrum.de/news/urin-der-duenger-der-zukunft/1319808
https://praxistipps.focus.de/urin-als-duenger-was-sie-darueber-wissen-sollten_107958