Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Meine Oma ist “ne alte Umweltsau”

0

Mit einer Online-Satire des Liedes “Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad” hat der WDR eine Empörungswelle ausgelöst. Ein Mädchenchor sang unter anderem: “Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad. Das sind tausend Liter Super jeden Monat. Meine Oma ist “ne alte Umweltsau“. Auch Kreuzfahrten und billiges Discounterfleisch wurden thematisiert.

Schon kurz nach Veröffentlichung hat der Sender das Video wieder entfernt. Grund dafür war offensichtlich weniger der Inhalt als die Tatsache, dass der Einsatz des Mädchenchores als Instrumentalisierung von Kindern für politische Zwecke empfunden wurde. Herr Laschet als oberster Chef des WDR formulierte es so: „Die Debatte um den besten Klimaschutz wird von manchen immer mehr zum Generationenkonflikt eskaliert. Niemals dürfen Kinder von Erwachsenen für ihre Zwecke instrumentalisiert wird.“ Dem ist nichts hinzuzufügen, die Satire ist in ihrer Form falsch. Es deswegen sofort zu entfernen ist dennoch sehr fragwürdig. Würde man diesen Maßstab auch in anderen Bereichen ansetzen, so müsste beispielsweise auch die Mitwirkung von Kindern bei Werbespots unterbunden werden, sowohl für Produkte von Unternehmen als auch bei Wahlkampfauftritten von Politikern. Auch hier werden jeden Tag Kinder für die Interessen von Erwachsenen, von Unternehmen und Parteien instrumentalisiert.

Leider hat dieser Fehler dazu geführt, dass überhaupt nicht über den inhaltlichen Hintergrund der Debatte diskutiert wurde.

Die in dem Lied angesprochenen Omas (und Opas) gehören nicht zu der Generation auch meiner eigenen Großeltern, die den Krieg erlitten und danach das Land wieder aufgebaut haben. Mein Großvater, der heute 90 Jahre alt wäre, ist bis kurz vor seinem Tode ausschließlich Fahrrad oder Bahn gefahren, hat in einer sehr kleinen Dachwohnung in Bremen gelebt und meinem Vater und auch mir einen sehr sorgsamen Umgang mit Ressourcen gelehrt. Auch wenn das für ihn in seinem Leben niemals eine Rolle spielte, weil er aus anderen Gründen so gehandelt hat, war sein Lebensstil noch halbwegs klimaverträglich.

Tatsächlich angesprochen wurden durch das Lied diejenigen, die nach dem Krieg geboren wurden und zum Teil als 68er-Generation selbst das Verhalten der eigenen Eltern in Frage gestellt hatten. Diese Generation hat in der Kindheit noch die Entbehrungen der Nachkriegszeit erlebt und hart dafür gearbeitet, die Grundlagen für unseren heutigen Wohlstand zu schaffen. Sie ist stolz auf ihre Lebensleistung und will im dritten Lebensabschnitt nicht darauf verzichten, die Früchte zu ernten. Für viele gehört dazu die Kreuzfahrt, die Flugreise, der (altengerecht hohe) Pkw bzw. SUV, das tägliche Stück Fleisch (oftmals vom Discounter). Nicht alle Menschen dieser Generation können sich das leisten, aber dennoch ein großer Teil davon. Wäre mein Vater nicht vor drei Jahren zu jung verstorben, wären meine Eltern voll dabei, genauso wie der größte Teil des Freundeskreises meiner verwitweten Mutter. Sie selbst hat nie einen Führerschein besessen, deshalb verfügt sie über keinen Pkw und nutzt im Alltag meist Bus und Bahn.

Für diese Generation ist es sehr schwierig zu akzeptieren, dass all das, was sie in ihrem Leben aufgebaut haben, in der Zukunft nicht mehr so fortgeführt werden kann. Dieser Lebensstil ist mit durchschnittlich 12 Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf und Jahr verbunden ist, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzen zu können, sind aber maximal 2 Tonnen möglich. Außerdem ist er mit einem so hohen Ressourcenverbrauch verbunden, dass der Welterschöpfungstag mittlerweile Ende Juli liegt, für Europa sogar schon im Juni. Als ich geboren wurde, also zur Jugendzeit der angesprochenen Großelterngeneration, lag er noch am 28.12.

Die 68er-Generation konnte erreichen, dass Deutschland die Spätfolgen der NS-Zeit überwinden und sich zu einem demokratischen Land entwickeln konnte. Sie war zahlenmäßig größer als die Kriegsgeneration, und sie formulierte ihre Forderungen sehr geschlossen und lautstark. Die Situation heute ist eine ganz andere. Die junge Generation macht einen nur kleinen Teil der Bevölkerung aus, die größte Gruppe sind die Großeltern. Hinzu kommt, dass die Jugend vollkommen uneinig und in den Annehmlichkeiten des heutigen Lebensstils gefangen ist. Ihr gelingt es bisher nicht, mit dem gleichen Nachdruck Veränderungen einzufordern. Teilbereiche des eigenen Lebens organisieren sie sehr nachhaltig, der Anteil an Vegetariern und Veganern aus Klima- und Umweltschutzgründen beispielsweise nimmt immer weiter zu. Aber auf die Urlaubs- oder Studienreise im Flieger wollen sie nicht verzichten.

Die dazwischen liegende Eltern-Generation, also geboren zwischen 1965 und 1985, von denen die erste Hälfte auch Generation Golf getauft wurde, sieht sich immer stärker den bohrenden Fragen ihrer Kinder ausgesetzt. Am Küchentisch wird der aktuelle Lebensstil immer öfter hinterfragt. Meist sind sowohl Kinder als auch Eltern überfordert, die richtigen Antworten zu geben und ein angemessenes neues Verhalten zu entwickeln. Kürzlich habe ich eine junge Mutter kennengelernt, die regelmäßig mit den düsteren Zukunftsvorstellungen der 12-jährigen Tochter konfrontiert wird. Die Eltern haben jetzt, obwohl sie auf dem Land leben, den Zweitwagen abgeschafft und sich ein Lastenrad zugelegt. Gegen den massiven Protest der im selben Haus lebenden Großeltern, die ihnen Verantwortungslosigkeit vorwerfen! Es könnte ja mal sein, dass eins der Kinder ganz spontan ins Krankenhaus gebracht werden müsste, und das verbliebene Erstfahrzeug dann nicht verfügbar ist. Gar nicht daran zu denken, in einem solchen Fall den meist vor der Tür stehenden SUV der Großeltern zu nutzen.

Wie wird es weitergehen? Es ist abzusehen, dass die Folgen des Klimawandels immer stärker wahrnehmbar werden, die nicht endenden Buschbrände in Australien oder auch die letzten beiden Hitzesommer in Deutschland lassen nichts Gutes ahnen. Im letzten Jahr war fast jeder Monat der wärmste je gemessene. Gleichzeitig entwickelt sich Afrika so schnell, dass dort der Ressourcenbedarf und der CO2-Ausstoß jedes Jahr kräftig zunehmen wird. Mit der Folge, dass wir unsere Anstrengungen sogar noch steigern müssen, damit weltweit eine ausreichende Reduktion möglich wird. Der Handlungsdruck wird also wachsen, das Potenzial für eine Spaltung der Gesellschaft ansteigen. Nicht nur, aber dennoch besonders stark zwischen den Generationen. Die Jungen haben langfristig am meisten durch den Klimawandel zu verlieren, die heutige Großeltern-Generation zumindest subjektiv am meisten durch Maßnahmen gegen die Erderwärmung. Der nötige Wandel kann nur gemeinsam gelingen, eine Spaltung würde viel Zeit kosten und Kräfte binden, die für die Bewältigung der Klimakrise nötig sind.

Ein interessanter Beitrag vom WDR findet sich hier:

https://www1.wdr.de/nachrichten/WDR2-Video-Diskussionen100.html

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.